Brockhaus der Brote

Form 289
2020

HINTER DEN STULLEN

Alles fing an mit einem A3-Scanner, den Max Faber bei einer Bekannten entdeckte. Faber, ein gelernter Koch, der seit 2007 als Foodstylist arbeitet, scannte damit einen herumliegenden Apfel – und war fasziniert von der speziellen Optik des Ergebnisses. Scanografie wird diese ungewöhnliche Art des fotografischen Abbildens genannt, bei dem der Scanner quasi zum Co-Designer wird. Für Max Faber, der sich im Internet auch Foodfaber nennt, eine neue Erfahrung. Denn normalerweise arbeitet er bei der Produktion von Fotostrecken für Buchverlage, Magazine oder große Supermarktketten mit Fotograf*innen zusammen.

Nun hat der Berliner mit dem Gestaltungsduo Majada Daria Ramadan und Timo Schmitt ein freies Buchprojekt realisiert, das sich mit einem – visuell bisher unterschätzten – alten Bekannten beschäftigt: dem belegten Brot. „Ich wollte mich an einem Thema abarbeiten“, sagt Faber, „und dann bin ich auf die Idee gekommen, dass Stullen, Klappstullen und Sandwiches ein schönes Thema sein könnten.“ Akribisch durchdekliniert hat Faber das Phänomen tatsächlich – alles auf der Glasplatte seines Scanners. Auf einer Seite quillt formatfüllender Weizenbrotteig, auf anderen tauchen Brotlaibe aus der Dunkelheit auf; ein dynamisch inszenierter Frühstückstoast mit Spiegelei auf weißem Grund folgt auf eine Toast-Hawaii-Komposition, auf die Piet Mondrian stolz gewesen wäre.

Nicht weniger detailverliebt sind Ramadan und Schmitt bei der Gestaltung des Buchobjekts vorgegangen, dessen sandwichartige offene Bindung schon seinen Inhalt verrät. „Klar, das war ein Verweis auf die Stulle“, erklärt Ramadan, die mittlerweile Designerin bei Highsnobiety ist und schon viele Projekte – darunter das Chapter Magazine und das Indie Magazine – gemeinsam mit Schmitt grafisch realisiert hat, der wiederum Art Director beim Modelabel MCM ist. Was ein schnöder Bildband hätte werden können, ist ein kompaktes Foto- und Kochbuch geworden, für das sich die Gestalter*innen Enzyklopädien und wissenschaftliche Paper als Inspirationsmaterial genommen haben: „Max’ hochaufgelöste Scans wirken schon wie eine genaue Analyse, wie das Sezieren einer Stulle oder eines Sandwichs“, sagt Ramadan, „und das haben wir grafisch und inhaltlich weitergedacht.“ Deswegen folgen auf die doppelseitigen Scans der Stullen Seiten, auf denen die einzelnen Bestandteile des Brotes typografisch nachgezeichnet werden, ähnlich wie in einer Landkarte; deswegen haben Ramadan und Schmitt sich dafür entschieden, in der gesamten Publikation eine wissenschaftlich anmutende Monospace-Schrift zu verwenden; deswegen gibt es neben Infografiken auch einen Anhang mit Rezepten und ein Glossar, in dem alle verwendeten Zutaten alphabetisch aufgelistet sind.

Das gelungene Werk landete im vergangenen Jahr auf der Shortlist der Schönsten Deutschen Bücher der Stiftung Buchkunst und wurde mit dem Deutschen Fotobuchpreis in Silber ausgezeichnet. Für Max Faber bot sich so auch eine Möglichkeit, mit den Klischees aufzuräumen, mit denen er als Foodstylist häufig konfrontiert wird: „Viele Leute denken immer, dass beim Foodstyling unechtes Essen zum Einsatz kommt“, sagt er. Aber das sei die Ausnahme – die echten Produkte seien viel schöner. Bleibt nur noch zu fragen, wie sein Scanner die ganze Aktion überlebt hat: „Ach, ganz gut!“, berichtet Faber. „Er ist nur äußerlich etwas ramponiert. Die Scanfläche ist noch schön kratzfrei.“

 

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